Design und Betrieb / Design and Operation

Betriebskonzept vor Anlagendesign

Betriebskonzept vor Anlagendesign

Wann wird die Betriebsmöglichkeit eines Eisenbahn-Modells festgelegt?

 

Richtig: beim Prozess des Anlagen-Designs. Wenn eine Anlage ohne das Ziel, auf ihr einen vorbildnahen Betrieb zu simulieren, geplant und gebaut wird, dann wird es im Nachhinein schwierig, wenn nicht unmöglich, sie daraufhin auszurichten oder weiterzuentwickeln.

 

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass eine Eignung für Betrieb sozusagen per Zufall entstanden ist. In den meisten Fällen wird eine Anlage entstanden sein, auf der die Züge ziellos kreisen und die Funktion des Vorbildes nicht abbilden.

 

Ich möchte kurz einige zentrale Begriffe fortschrittlichen Anlagen-Designs vorstellen und erklären, die Otto O. Kurbjuweit (OOK) in seinem (derzeit nicht zugänglichen) e-book "Anlagen-Design" vorgestellt hat und die im zugehörige Modellbahn-Anlagen Design-Forum diskutiert werden:

 

  • Linearität
  • RAWE
  • PAN
    

Linearität

Damit ist gemeint, dass es zwischen den beiden Endpunkten einer Anlage (dargestellte Bahnhöfe oder sichtbare oder unsichtbare Zugspeicher (Schattenbahnhöfe, Fiddle Yards) eine direkte zielführende Verbindung gibt.

Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die Strecke zwecks Längengewinnung mehrfach übereinander gefaltet ist (das wird erst in einem anderen Kapitel unter anderen Gesichtspunkten als Nachteil  beschrieben), solange keine Alternativrouten und/oder Abkürzungen oder Bypässe entstehen.

Also: Die Gotthardstrecke der SBB mit vielen Serpentinen und Spiraltunnel ist linear, die meisten öffentlichen Nahverkehrsnetze mit ihren Verknotungen und Ringstrecken sind es nicht.


  

RAWE = rings herum an der Wand entlang

Definition

RAWE ist eine Erweiterung bzw. Fortentwicklung des vor Jahrzehnten von der MIBA kreierten Begriffes ADW (= an der Wand entlang). Eine Anlage, die nur an einer Wand eines Raumes entlang führt, wäre zwar eine ADW-, jedoch keine RAWE-Anlage. Die RAWE-Anlage ist das Gegenstück zur flächigen Anlage. Bei letzterer sind Anfangs- und Endpunkt zwangsläufig relativ nah beieinander, während bestimmte Betriebsstellen auf Grund der Anlagentiefe für den Betreiber schwer zu erreichen sind.

RAWE-Anlagen, speziell bei linearer Streckenführung, kommen mit einer relativ geringen Anlagentiefe aus. Die diversen Stationen, speziell auch Anfangs- und Endstation, sofern sie sichtbar und gestaltet sind, können weit entfernt voneinander liegen und somit die Illusion von Entfernung erzeugen.

Vor allen Dingen ermöglicht das RAWE-Prinzip dem Betreiber auch, stets in unmittelbarer Nähe seines Zuges zu sein, sei es, um ihn visuell zu genießen (etwa den wirbelnden Stangen der Dampflok zuschauen) oder um beim Rangieren sowie bei Betriebsstörungen unmittelbar eingreifen zu können. Dieses Prinzip nennt OOK „PAN“ (siehe unten)  

Beispiele 

Ein bekannter Verfechter dieser Idee ist der Amerikaner David Barrow mit seiner immer wieder veränderten Betriebsanlage "Cat Mountain & Santa Fe".

Auch die FREMO-Module folgen diesem Konzept, und die regelmäßigen Treffen stellen die Möglichkeit des vorbildorientierten Betriebs immer wieder unter Beweis.

Ein Gegenbeispiel - und die Bestätigung

liefert die riesigen HO-Anlage des The Model Railroad Club, Inc. ™ at the A. Paul Mallery Model Railroad Center:

  • hier sitzt der Dispatcher auf einer Empore am Rand der Anlage. Er steuert die Züge der großen Bahngesellschaft "HD&O Hudson, Delaware & Ohio RR", die über die gesamte Anlage fährt, aus der Entfernung. Die vielen Unterführungen unter die Anlage erschweren das Mitlaufen für die Betriebsleute.
  • diese Anlage wurde 1949 begonnen, die aktuelle Planung stammt von 1975 (erster Teilabschnitt, der fertig ist, umfasst etwa 12,5 x 12,5 m), und wurde seitdem ständig weitergebaut (geplanter Endausbau: 13,4 x 45,7 m) ...
  • andererseits: die drei kleineren Bahngesellschaften sind jeweils konsequent um eine der 4 Bedienungsinsel herum aufgebaut: die elektrische Traction Line "Trenton Northern RR" (mit über 100 m  Strecke), die Shortline "Rahway River RR" und die Switching Line "Mauch Chunk Terminal RR".

Betriebsflaeche_MRCI.gif


PAN = Prinzip der absoluten Nähe

Der "Lokführer" ist immer so nah an seinem Triebfahrzeug, dass er es berühren kann, zumindest an den betriebsintensiven Stellen der Anlage: Bahnhöfe, Ortsgüteranlagen, Industrieanschlüsse etc.

Natürlich kann es auch betriebsintensive Anlagen ohne PAN geben, zum Beispiel dann, wenn ein Ausschnitt aus der Eisenbahnwirklichkeit dargestellt wird, wo Änderungen in der Zugzusammensetzung nicht oder nur ausnahmsweise vorkommen und diese ausnahmen auch noch ferngesteuert oder halbautomatisch durchgeführt werden können.

PAN beinhaltet nicht nur die waagerechte Entfernung von Triebfahrzeug, sondern auch die vertikale. Idealerweise würde sich das Triebfahrzeug auf Augenhöhe des Betrachters, also insbesondere des Lokführers bewegen. Das wäre dann so wie im richtigen Leben. Praktische Erwägungen sprechen jedoch gegen diese Maximalforderung, denn man muss auch über Gebäude, Bäume und andere Fahrzeuge hinüberreichen können, die sich vor dem Tfz befinden, das man gerade steuert.Bei der Schaffung des ersten deutschen Modulsystems, FREMODUL H0, wurde ebenfalls erstmals in Mitteleuropa, eine Gleishöhe von 1,3 m über Fußboden festgelegt, damals eine Revolution, die die Modellbahnszene stark polarisierte, heute verbreitete Praxis. Diese 1,3 m sind ein optimaler Kompromiss zwischen PAN und praxisgerechter Erreichbarkeit.